Portugal,  Reisetagebuch

[569] Mina de Sal-Gema de Loulé

Selten besuchen wir Attraktionen und Museen, vielmehr verbringen wir die Zeit in der Natur. Doch als wir von der Mina de Sal-Gema in Loulé gelesen haben, mussten wir sofort Tickets buchen. Die Salzmine ist nur wenige Kilometer von unserem Stellplatz entfernt und hier kommen Attraktion und Naturschauspiel zusammen. Die Führung war auf englisch und da wir zu dem Zeitpunkt die einzigen Besucher*innen waren, haben wir im Prinzip eine Privatführung bekommen.


Bei Ankunft haben wir eine Sicherheitsausrüstung bekommen: Warnweste, Helm und Stirnlampe. Und dann ging es auch schon los, mit einem kleinen Fahrstuhl, wackelnd, da an Stahlseilen hängend – 230 Meter unter die Erde. In den ca. 1×1 Meter Aufzug dürfen sieben Personen, unvorstellbar. Da er aus Gittern besteht und ansonsten offen ist, können wir während der dreiminütigen Fahrt in die Tiefe die verschiedenen Erdschichten sehen. Ab ca. 100 Metern beginnt das Salz. Es ist dunkel, wir sehen nur die Lichtkegel unserer Stirnlampen und die Wände glitzern ein wenig.

Unten angekommen ist die Luft eine andere, irgendwie staubig aber auch irgendwie ganz klar. Auch wenn die Wege, die wir gehen, beleuchtet sind, müssen wir die Stirnlampen die ganze Zeit eingeschaltet lassen. Denn in der Mine wird noch gearbeitet und die Fahrer haben einen rasanten Fahrstil drauf. Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es hier unten nicht ; -)


Salz soweit das Auge reicht

Die Miene wurde erst in den 1960er Jahren erschaffen. Damals haben bis zu 200 Personen hier gearbeitet. Entstanden ist ein unterirdisches Konstrukt von Wegen mit 45 Kilometern auf zwei Ebenen. Die zweite Ebene wird allerdings seit 1993 nicht mehr erweitert, denn der Weg dort hin ist zu weit: Die Maschinen müssten zu oft hin- und her transportiert werden. Die längste „Straße“ ist 4 km lang. Es gibt zwei Schächte über die alles rein- und raus transportiert wird. Die Menschen, die Maschinen, das Salz. Die Maschinen können nur in Einzelteilen zerlegt hoch- und runter gebracht werden – die Arbeiter haben zwar wenig Lust, sich die Baumaschinen und LKWs erst zusammenbauen zu müssen – aber was muss, das muss, bevor es an die Arbeit gehen kann. Für den Zusammenbau und Reparaturen wurde eine Werkstatt eingerichtet.

Früher haben die Arbeiter die gesamte Schicht im Bergwerk verbracht, die Fahrt nach oben hat für eine Pause einfach zu lange gedauert. Da die Aufzüge heute schneller sind, verbringen die Mitarbeiter ihre Pausen im Tageslicht – inzwischen arbeiten hier unten übrigens nur noch acht Personen. Neue Mitarbeiter*innen zu bekommen, ist schwer und bei Krankheit und Urlaub kommt es auch mal zum Stillstand.

Wir sind durch die Gänge gelaufen und haben gestaunt. Kalt ist es hier übrigens nicht, im Gegenteil: es sind durchgehend ca. 23 Grad. Die Wege sind breit und hoch, Maschinen sehen schon fast klein aus. Die Wände, die Decke, der Boden: alles ist Salz. Wobei „alles“ nicht ganz richtig ist. Das Salz ist „Rocksalt“, also Salz mit Stein und deshalb auch nicht rein weiß, sondern braun-rot-weiß. Wegen des geringen Anteils an Stein, ist es nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen. Aber das ist ein rein rechtliches Ding .. das Salz schmeckt jedenfalls richtig gut. Genutzt wird es als Streusalz und für Tiere. Aus dieser Mine kommt fast alles an Streusalz für Nordeuropa – und das von nur 8 Mitarbeitern. Wobei man auch dazu sagen muss, dass die Nachfrage so groß ist, dass sie kaum hinterherkommen.

Hier und dort stehen etwas museumsartig Maschinen, die nicht mehr genutzt werden. Das Salz lässt die Maschinen extrem schnell rosten. Während wir uns die Wände, Kristalle und, wie Schüre von der Decke hängende, Salzzapfen anschauen, entdecken wir einen Stuhl. Wir befinden uns am „Strand“, wie uns die Minenführerin erzählt. Die Salzluft ist perfekt gegen Asthma und es gibt sogar Personen, die hierherkommen, um sich auf den Stuhl setzen und sich eine Atemkur zu gönnen.

Immer mal wieder kommt ein Fahrzeug mit Salz geladen vorbei gerauscht. Die Formen und Strukturen der Wände verändert sich: sie werden gerader, die Strukturen gleichmäßiger. Wir sind in dem Bereich, der nicht mehr durch Sprengungen erschlossen wurde, sondern mit Maschinen gegraben wird.

Etwas weiter sehen wir einen Mitarbeiter an einem Fließband, auf dem das Salz ein Stück transportiert wird, bis zum dem Punkt, wo ein anderer Mitarbeiter es mit seinem LKW abholt. Wir dürfen uns Salzbrocken mitnehmen, sie sind teils orange-weiß. Und wenn sie beleuchtet werden, sehen sie genauso aus wie die Salzlampen, die ich immer so gerne hatte.

Hier unten gibt es auch drei Kunstwerke: eines von einem Kunst-Professor aus Porto, der eine Zeit lang, wegen der guten Luft, täglich für vier Stunden mit seinem Kind hier war, das Asthma hatte. Er verewigte im Salz ein Bild seiner Frau mit deren Baby im Arm. Die beiden anderen Werke wurde von Arbeitern erschaffen und zeigen einen Mitarbeiter, der sein gesamtes Arbeitsleben hier unten verbracht hat und einen immer noch hier arbeitenden.

Übrigens: im Falle eines Erdbebens würden wir hier unten absolut nichts spüren. Das Salz ist in den Eigenschaften vergleichbar mit Kunststoff aus PET Flaschen. Die Kristalle sind so formbar, dass sie jegliche Bewegung abfangen würden und auch Geräusche haben keine Chance durch die Erdschichten nach unten zu gelangen. Was hier immer mal wieder passiert, sind Stromausfälle. Heutzutage ist dank Generatoren nach spätestens zwei Minuten wieder Licht. Doch früher war das anders, regelmäßig ist für längere Zeit der Strom ausgefallen und dann funktionieren natürlich auch die Aufzüge nicht mehr. Um dennoch an die Oberfläche kommen zu können, gibt es in den Schächten einfache Leitern, die nach oben führen. Früher mussten die Leitern häufig genutzt werden, heute eher seltener. Ein Mitarbeiter, der über 40 Jahre hier unten gearbeitet hat, hat sich am letzten Tag vor seiner Rente die Challenge gegeben und ist Sprosse für Sprosse an die Oberfläche geklettert. Eigentlich braucht man etwa eine Stunde, er hat es allerdings in knapp 47 Minuten geschafft.

Da sind wir doch sehr glücklich, dass wir mit dem Aufzug nur drei Minuten benötigen. Nach 1,5 Stunden in Dunkelheit brauchen meine Augen einen Moment, bis sie sich wieder an das Sonnenlicht gewöhnen.

Eine großartige Erfahrung!